Die letzte Flut: Pressestimmen

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Lichtgewordene musikalische Klage

Segeberger Musiker und Sänger führten Oratorium „Die letzte Flut“ in der Marienkirche auf

Von Andrea Hartmann

Bad Segeberg. Fast eine Minute lang ist es still in der Marienkirche. Instrumente und Stimmen sind verstummt, das Licht verhalten. Rund 300 Zuhörer in der Marienkirche warten, nachdem der letzte Ton des zwölfsätzigen Oratoriums „Die letzte Flut“ verklungen ist. Zögerlich beginnt jemand zu klatschen, erst dann löst sich die Spannung in brandendem, minutenlangem Applaus.

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Ich sitze am Cello, die letzten Töne noch gegenwärtig. Mit Segeberger Sinfonieorchester, Gospelchor und Solisten (Leitung: Andreas J. Maurer-Büntjen) haben wir Jan Simowitschs letztes Werk aus seiner Zeit als Popularkirchenmusiker in Bad Segeberg uraufgeführt. Haben die Geschichte erzählt von der großen Flut, die diesmal nicht von Gott kam wie die Sintflut aus der Bibel. Sondern die der Mensch selbst herbeiführte, nachdem er der Erde ihre Kraft genommen hatte: „Sie reißen meine Haut auf“, klagt die Erde (fantastisch gesungen von Nicolas Dreessen), „sie weiden mich aus bei lebendigem Leib.“

Und nun fällt der Regen, das Wasser steigt, es vernichtet und zerstört, und jetzt ruft der Mensch (stark: Anne Friedemann) nach Gott, doch der bleibt stumm. Wir begleiten den Menschen mit wehen Tönen, als er sich müde schreit, in den Momenten, in denen er sich fühlt wie eine Pfütze, in die achtlos jemand tritt.

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Wir Musiker gehen mit ihm in dunklen Tönen, „wie Schafe in die Irre“, wie es in dem Satz heißt. Düstere Harmonien zeigen Ausweglosigkeit. Eine Lösung gibt es nicht: Der Geist Gottes schwebt über den Wassern, am Anfang wie am Ende. So hat Jan Simowitsch musikalisch den Kreis geschlossen, den Theologe Johannes Hoffmann in seinem manchmal harten und schonungslosen Text beschrieben hat.

Der Weg, der zur Katastrophe führt, ist anschaulich. Musikalisch in tosenden Ausbrüchen von Orchester und Chor wie in „Langsam steigt das Wasser – wehe euch“, in dem der Prophet (fantastisch: Oliver Bohlen) den Verantwortlichen verkündet, welch Unheil sie erwartet. Unser ganzes Orchester tobt mit, um an anderer Stelle still zu sein und den sphärischen, tröstenden Tönen des Trios mit Moira Pasberg, Mareike Rahf und Dorothea Sarb zu lauschen, das wie aus fernen Zeiten die Hoffnung auf eine Wende besingt.

Doch Gottes Hilfe bleibt aus, die Menschen sind allein. Wir spielen in der „Trauermusik“ die Trostlosigkeit mit schroffen Tönen, die Harmonie, in früheren Sätzen in vielen, stimmig ineinander verwobenen Stilen ausgedrückt, ist weg. Die Musik ist atonal, wir spucken die Töne aus, die Disharmonie verebbt in einem trüben Ton, bevor sich der Kreis schließt.

Das Publikum kann die Szenerie auf besondere Weise sehen: in einer professionellen, aufwändigen Licht-Show, für uns Ausführende nur in Teilen sichtbar. Frank Golchert aus Sülfeld und sein Team haben mit farbigem, vor allem viel blauem Licht und großen Leinwänden das Wasser glänzend symbolisiert.

In der Stille nach dem letzten Ton bleiben mir zwei Gefühle. Das eine ist Freude darüber, dazu beigetragen zu haben, den Zuhörern das Oratorium in seiner vollen Kraft nahezubringen. Das andere ist große Nachdenklichkeit über die Sorglosigkeit, mit der der Mensch seinen Lebensraum mit Füßen tritt. Und darüber, dass jeder, so wie es Bischof Gothard Magaard als Schirmherr des Projekts formulierte, sofort beginnen sollte, umweltbewusster zu leben.

„Die letzte Flut“: ein beeindruckendes Werk mit Endzeitcharakter


„Die letzte Flut“ ist das letzte große Werk, das Jan Simowitsch in seiner Zeit in Bad Segeberg komponiert hat; zum 1. März hat er in Hamburg eine neue Stelle als Referent für Kirchenmusik an der Nordkirche angetreten. Bereits vor zwei Jahren begann er mit der Arbeit an dem Werk; stilistisch bewegt sich das Oratorium in vielen Stilen von der Renaissance bis zur Moderne. In vielen Monaten Arbeit studierten rund 80 Beteiligte das rund einstündige Werk ein.

Der Text stammt von Johannes „Tscho“ Hoffmann, mit dem Simowitsch viele Jahre zusammengearbeitet und mehrere Werke verfasst hat. Der Bad Segeberger Theologe will aufrütteln mit seinem Text, den er bewusst radikal geschrieben hat, wie er sagt: Bereits in den 1980er Jahren trug er sich mit dem Gedanken, dass es vielleicht besser wäre für die Erde, wenn der Mensch sich selbst ausrotten würde. Damals entstanden die ersten Texte zu diesem Thema. „Der Rückblick zeigt: Was damals nur wenige Spinner mahnten, ist inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, sagt Hoffmann. Denn viele Menschen lebten einen aggressiven Wohlstand auf Kosten anderer Menschen und der Erde.

Andrea Hartmann, Segeberger Zeitung (mit freundlicher Erlaubnis der Autorin)
Fotos: Soenke Ehlers ((mit freundlicher Erlaubnis des Fotografen)

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